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Die Liebe zum Schöpfer und die Liebe zu Geschöpfen

Aus dem Buch "Pri Chacham" (Frucht des Weisen, Band "Artikel")

"Liebe deinen Nächsten wie dich selbst".
Rabbi Akiva sagt, das sei die große Gesamtheit der Thora

Gesamtheit und Detail

Das oben erwähnte Zitat ist zwar eines der bekanntesten und meistzitierten Redensarten, doch wurde es immer noch nicht in seinem ganzen Umfang erläutert. Das, weil das Wort "Gesamtheit" auf eine Summe von Details hinweist, die sich auf die obere Regel beziehen, wobei jedes einzelne Detail einen Teil in sich trägt, sodass das Versammeln all dieser Details diese Gesamtheit zustande bringt.

Und wenn wir sagen, "große Gesamtheit der Thora", so bedeutet dies, dass alle Texte und alle 612 Mizwot (Gebote) die Gesamtsumme der Details darstellen, die sich auf den Vers beziehen: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst". Es ist schwer zu verstehen, wie solch eine Aussage die Gesamtsumme aller Mizwot in der Thora enthalten kann? Es kann höchstens die Gesamtheit jenes Teiles der Thora und der Texte sein, welcher sich auf die Mizwot zwischen Mensch und Mensch bezieht. Doch wie könnte man den größeren Teil der Thora, der die Arbeit zwischen Mensch und Gott betrifft, in den Vers einschließen: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst"?

Was dir selbst verhasst ist, das tue deinem Nächsten nicht an

Wenn wir irgendwie den oberen Text glätten können, hier, was Hillel zu einem Fremden sagte, der zu ihm kam und darum bat, überzutreten, wie es in der Gemarah heißt: "Mache mich zu einem Übergetretenen, und zwar lehre mich die ganze Thora, während ich auf einem Fuß stehe."Er (Hillel) sagte zu ihm: "Was dir verhasst ist, das tu deinem Nächsten nicht (im heutigen Sprachgebrauch: Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg auch keinem anderen zu). Das ist die ganze Thora und alles andere ist nur die Interpretation, geh und lerne sie!"  Wir sehen, dass er ihm sagte, die ganze Thora sei die Interpretation des Verses: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst".

Nun ist es nach den Worten von Hillel, dem Lehrer aller Kabbalisten seiner Zeit, vollkommen klar, dass es das vordergründige Ziel unserer heiligen Thora ist, uns auf jene erhabene Stufe zu bringen, wo wir diesen Vers einhalten können: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst", weil es im Besonderen heißt: "alles andere ist nur die Interpretation, geh und lerne sie!". Das bedeutet, dass man uns erklärt, wie wir zu diesem Gesetz kommen können.

Es verwundert, dass solch eine Aussage in den meisten Themen der Thora wahr sein kann, welche den Menschen und Gott betreffen, wenn doch jeder Anfänger offensichtlich weiß, dass es das Herzstück der Thora ist, und nicht die Erklärung von "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst".

Liebe deinen Nächsten wie dich selbst

Wir sollten außerdem die Bedeutung des Verses prüfen und verstehen: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst". Die wörtliche Bedeutung davon ist es, deinen Nächsten im selben Maße zu lieben, wie du dich selbst liebst. Wie dem auch sei sehen wir, dass das Allgemeine damit überhaupt nicht standhalten kann. Wenn es heißen würde, liebe deinen Freund so sehr wie er dich liebt, gäbe es immer noch nicht viele Menschen, die es vollkommen einhalten könnten, doch es wäre akzeptabel.

Doch den anderen so sehr zu lieben wie ich mich selbst liebe scheint unmöglich zu sein. Sogar wenn es in der ganzen Welt nur eine Person außer mir gäbe wäre es unmöglich, und es ist noch weniger möglich, wenn die Welt voller Menschen ist. Mehr als das, wenn ein Mensch wen auch immer so lieben würde wie er sich selbst liebt, hätte er keine Zeit für sich selbst. Doch man muss bereitwillig die eigenen Bedürfnisse befriedigen, ohne Verzicht, denn man liebt sich selbst.

Was die Bedürfnisse der Allgemeinheit, ist dem nicht so; denn der Mensch hat keinen kräftigen Grund, der in ihm den Wunsch erwecken würde, für sie zu arbeiten- und sogar wenn er einen Wunsch hätte, würde er es dann wörtlich erfüllen können, würde seine Kraft standhalten? Und wenn dem nicht so ist, wie kann die Thora uns dazu verpflichten, etwas zu tun, was der Mensch überhaupt nicht einhalten kann?

Und wir sollten keineswegs annehmen, dies Geschriebene könne in der Form einer Übertreibung gesagt worden sein; denn wir werden durch den folgenden Vers erinnert: "Du sollst dem nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen". Alle Kommentatoren waren sich darin einig, den Text wörtlich zu interpretieren. Mehr als das; sie sagten, dass man die Bedürfnisse seines Nächsten sogar dann befriedigen soll, wenn man selbst bedürftig ist. Sogar dann müssen wir die Bedürfnisse unseres Freundes befriedigen und unsere eigenen unbefriedigt lassen.

Die Tosfot (Ergänzungen in der Gemarah) interpretierten bezüglich eines jeden, der einen Israelitischen Sklaven kauft, dass es so ist, als kaufe er sich selbst einen Herren. Und die Tosfot interpretierten eine Situation, wenn man nur ein Kissen hat, dass wenn man selbst darauf liegt, man nicht das Gebot einhält: "Denn es ist ihm gut mit dir". Und wenn man selbst nicht darauf liegt und das Kissen seinem Sklaven nicht gibt, dann ist dies eine sodomitische Regelung. Es stellt sich heraus, dass man ihn gegen den eigenen Willen an seinen Diener geben muss. Daraus folgt, dass man sich selbst einen Herrn kaufte.

Eine Mizwa (ein Gebot)

Das bringt einige Fragen auf: gemäß dem vorhergesagten, verstoßen wir alle gegen die Thora. Des Weiteren halten wir den vordergründigen Teil der Thora nicht ein, ihre Essenz, da wir die Details einhalten, nicht aber die Gesamtheit (nicht das eigentliche Gesetz). Es steht geschrieben: "wenn ihr den Willen des Schöpfers einhaltet, sind die Armen bei Anderen, doch nicht bei dir". Doch wie ist es möglich, dass es Arme geben wird, wenn jeder die Gesamtheit (das allgemeine Gesetz der Nächstenliebe) einhält, den Wunsch des Herrn, und seinen Nächsten wie sich selbst liebt?

Das Problem des hebräischen Sklaven bedarf eines weiteren Studiums: die Bedeutung des Textes ist es, dass man seinen Sklaven wie sich selbst lieben soll, sogar wenn es sich auf einen Ausländer oder einen Fremden bezieht, der kein Hebräer ist. Und man sollte sich nicht selbst entschuldigen, denn die Regelung für den Ausländer ist die Regelung für einen Hebräer, da "Ein Gesetz und eine Verordnung soll es geben, sowohl für dich als auch für den Ausländer der mit dir verweilt". Das Wort "Ausländer" meint auch einen "teilweise Übergetretenen", also einen, der nicht die Thora annimmt, sondern sich nur dem Götzendienst entzieht. Es steht über solch eine Person geschrieben: "Du mögest sie an einen Ausländer geben, der in deinen Toren ist".

Und das ist die Bedeutung von dem, was der Tana [1] sagt: "Derjenige, der ein Gebot erfüllt, neigt sich selbst und die ganze Welt der Seite des Verdienstes zu". Und es ist sehr schwer zu verstehen, was die "ganze Welt" damit zu tun hat? Und wir sollten uns nicht selbst rechtfertigen, es gehe um den Fall, wenn einer halb Gerechter, halb Sünder sei.

Man kann über sich selbst sehen, dass man halb Gerechter und halb Sünder sei, aber nicht über die ganze Welt als solche. Außerdem sollte der Text mit "ganz Israel" beginnen, doch warum heißt es "die ganze Welt"? Bürgen wir für die ganze Welt? Fügen wir sie zu unserem Guthaben an guten Taten hinzu?

Wir müssen verstehen, dass unsere Weisen nur von dem praktischen Teil der Thora sprachen, welcher die Welt und die Thora zum ersehnten Ziel bringt. Wenn sie also von einer Mizwa (einem Gebot) sprechen, dann meinen sie mit Sicherheit eine praktische Mizwa. Und das ist sicherlich wie Hillel sagt, "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst". Es ist durch diese Mizwa allein, dass der Mensch das wahre Ziel erreicht, nämlich die Verschmelzung mit dem Schöpfer. Tatsächlich siehst du, dass der Mensch durch diese Mizwa die ganze Welt und das Ziel aufrechterhält.

Nun stellt sich nicht mehr die Frage nach den Mizwot zwischen Mensch und Gott, da die praktischen von ihnen den gleichen Zweck haben, den Körper zu reinigen, der letzte Punkt wovon es ist, den Nächsten wie sich selbst zu lieben. Die unmittelbare Phase danach ist die Verschmelzung.

Und darin gibt es das Allgemeine (die Gesamtheit) und das Detail. Wir gehen vom Detail zum Allgemeinen, da das Allgemeine zum Endziel führt. Tatsächlich macht es mit Sicherheit keinen Unterschied, von welcher Seite wir beginnen, vom Detail oder vom Allgemeinen, solange wir beginnen und nicht still bleiben, bis wir unser Ziel erreichen.

Und mit Ihm verschmelzen

Es bleibt immer noch Raum, um zu fragen: wenn der Zweck der Thora und der ganzen Schöpfung nichts anderes ist, als die niederträchtige Menschheit zu erheben, bis wir schließlich dieser prächtigen Erhabenheit- der Verschmelzung mit dem Schöpfer- würdig werden, so hätte der Schöpfer uns doch gleich in dieser Erhabenheit erschaffen können, anstatt uns mit der Arbeit zu erschweren, die es in der Schöpfung und in der Thora und den Mizwot gibt.

Wir könnten das mit den Worten unserer Weisen erklären: "Einer, der isst, was nicht Seines ist, fürchtet sich, einem ins Gesicht zu schauen". Das meint, dass jeder, der die Früchte der Arbeit von Anderen verzehrt, sich fürchtet (schämt), seine eigene Gestalt anzuschauen, denn seine Gestalt ist unmenschlich.

Da kein Mangel von Seiner Vollkommenheit ausgehen kann, bereitete er Arbeit für uns vor, dass wir die Arbeit unserer eigener Hände genießen könnten. Deswegen erschuf er das Geschöpf in seiner niederen Form. Die Arbeit in der Thora und in den Mizwot erhebt uns von der Niederträchtigkeit der Schöpfung, und durch sie erreichen wir unsere Erhabenheit selbstständig. Dann empfinden wir nicht den Genuss und die Wonne, als kämen sie von einer großzügigen Hand, als Geschenk, sondern wir nehmen uns als Besitzer dieses Genusses wahr.

Doch wie dem auch sei müssen wir immer noch die Quelle der Niederträchtigkeit nachvollziehen, die wir fühlen, wenn wir ein Geschenk erhalten. Naturwissenschaftler wissen, dass die Natur eines jeden Zweiges es ist, der Wurzel nahe zu sein. Der Zweig liebt auch jede Verhaltensweise der Wurzel. Nach dem gleichen Prinzip bleibt auch der Zweig allem fern, was es in der Wurzel nicht gibt, er kann es nicht dulden und wird dadurch geschädigt.

Und da unsere Wurzel der Schöpfer ist, und Er nicht empfängt, sondern gibt, fühlen wir Leid und Erniedrigung bei jedem Empfang von einem Anderen.

Nun verstehen wir den Zweck davon, mit Ihm zu verschmelzen. Die Erhabenheit der Verschmelzung ist lediglich die Überstimmung des Zweiges mit seiner Wurzel, und der ganze Sinn der Niederträchtigkeit ist nur die Entfernung von der Wurzel. Mit anderen Worten wird jedes Geschöpf, dessen Wege zum Geben hin korrigiert sind, erhaben und fähig, mit Ihm zu verschmelzen. Jedes Geschöpf dagegen, dessen Weg das Empfangen und die Selbstliebe ist, ist erniedrigt und weit vom Schöpfer entfernt.

Als ein Heilmittel wurden uns die Thora und die Mizwot bereitet. Am Anfang müssen wir sie Lo Lischma einhalten, d.h. um der Belohnung willen. Das ist während des Zeitraumes von Katnut (des Kleinseins) der Fall, während der Erziehungsphase. Wenn man erwachsen wird, wird einem beigebracht, die Thora und die Mizwot Lischma einzuhalten, d.h. um dem Erschaffer Genuss zu bereiten, und nicht aus Selbstliebe.

Doch wir wissen immer noch nicht, was dieses Reinigen ist. Wenn wir das zuvor erwähnte beachten, so wissen wir dass "der Mensch als ein wilder Esel auf die Welt kommt". Und wir sind vollkommen in den Schmutz und die Niederträchtigkeit des Empfanges für sich und der Selbstliebe getaucht, ohne jeglichen Funken von Liebe zum Nächsten und vom Geben. In diesem Zustand befindet sich der Mensch am Entferntesten Punkt von der Wurzel.

Wenn man wächst und durch Thora und Mizwot erzogen wird, und zwar bestimmt durch das Ziel, seinem Erschaffer Freunde zu bringen, und nicht aus Selbstliebe, kommt man zu der Stufe des Gebens an den Nächsten. Man gelangt zu dieser Stufe durch das natürliche Heilmittel, welches im Studium der Thora und der Mizwot Lischma eingeschlossen ist, von welchem der Geber der Thora weiß, wie unsere Weisen sagten: "Ich habe den bösen Trieb erschaffen, und ich schuf die Thora als Gewürz (Heilmittel)".

Dadurch entwickelt sich das Geschöpf auf den Stufen der hohen Erhabenheit, bis man jegliche Form von Selbstliebe und Empfang für sich verliert. In diesem Zustand ist jede Eigenschaft des Menschen, entweder zu geben, oder zu empfangen um zu geben. Unsere Weisen sagten darüber: "Die Mizwot wurden nur gegeben, um die Menschen durch sie zu reinigen", und dann steigt man zu seiner Wurzel auf, wie es heißt, "und mit Ihm zu verschmelzen".

Zwei Teile der Thora: zwischen Mensch und Gott und zwischen Mensch und Mensch

Sogar wenn wir sehen, dass es in der Thora zwei Teile gibt: einmal die Mizwot zwischen Mensch und Gott, und zweitens die Mizwot zwischen Mensch und Mensch, sind sie doch beide das Gleiche. Das bedeutet, dass ihr eigentlicher Zweck und das ersehnte Ziel Eins sind, und zwar Lischma.

Es macht keinen Unterschied, ob der Mensch für seinen Nächsten oder für den Schöpfer arbeitet. Das hat zum Grund, dass es in uns durch die Natur der Schöpfung eingemeißelt ist, dass alles, was von außen kommt, uns leer und irreal erscheint.

Deswegen sind wir gezwungen, bei Lo Lischma anzufangen. Rambam [2] sagt: "unsere Weisen sagten: "Man muss immer die Thora studieren, und zwar sogar Lo Lischma, denn von Lo Lischma kommt man zu Lischma." Wenn man also die Kleinkinder, die Frauen und die Sklaven lehrt, lehrt man sie, aus Angst heraus zu arbeiten, und um belohnt zu werden, bis sie Wissen anhäufen und Weisheit ansammeln. Anschließend wird ihnen das Geheimnis allmählich offenbart, und sie werden sanft an dieses Thema gewöhnt, bis sie Ihn schließlich erkennen und wissen und Ihm aus Liebe dienen".

Wenn man dabei seine Arbeit in Liebe und Geben zum Nächsten vollendet und beim höchsten Punkt ankommt, vollendet man auch seine Liebe und sein Geben dem Schöpfer gegenüber. In diesem Zustand gibt es keinen Unterschied zwischen den Beiden, da alles, was außerhalb des Körpers eines Menschen ist, d.h. außerhalb seines Selbstinteresses, auf gleiche Weise beurteilt wird- ob es ist, seinem Nächsten zu geben, oder seinem Erschaffer Freude zu bringen.

Das ist es, was Hillel Hanasi meinte, und zwar dass "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" das absolute Ziel in der Praxis sei. Denn das ist die klarste Form für den Menschen.

Wir sollen nicht über die Taten irren, denn diese werden vor die Augen des Menschen gesetzt. Und wisse, dass wenn man die Bedürfnisse des Nächsten vor die eigenen stellt, dass das Geben ist. Deswegen definiert Hillel das Ziel nicht als "Und du sollst den Ewigen deinen Gott lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Vermögen", denn es ist tatsächlich beides das Gleiche. Es ist so, weil man auch seinen Freund mit seinem ganzen Herzen und seiner ganzen Seele und seinem ganzen Vermögen lieben soll, denn das ist der Sinn der Worte "wie dich selbst". Immerhin liebt man sicherlich sich selbst mit seinem ganzen Herzen und Seele und Vermögen, doch hinsichtlich des Schöpfers könnte man sich irren, und mit dem Freund liegt es immer vor den Augen.

Warum wurde die Thora nicht den Vorvätern gegeben?

Das beantwortet die ersten drei Fragen. Doch es bleibt immer noch die Frage, wie es möglich ist, dies einzuhalten, denn es scheint unmöglich. Du sollst wissen, dass dies der Grund ist, aus dem die Thora nicht den Vorvätern gegeben wurde, sondern ihren Kindeskindern, die eine ganze Nation waren, bestehend aus 600.000 Männern beginnend vom Alter von 20 Jahren. Sie bekamen sie, nachdem sie gefragt wurden, ob jeder von ihnen gewillt sei, diese Arbeit und dieses erhabene Ziel auf sich zu nehmen.

Nachdem jeder einzelne sagte: "Wir werden tun und wir werden hören", wurde es möglich. Denn zweifellos, wenn 600.000 Männer keinen anderen Willen haben, als Wache zu stehen und darauf zu achten, dass ihre Freunde keinen einzigen unerfüllten Wunsch haben, und sie es sogar liebend tun, mit ihrer ganzen Seele und ihrem ganzen Vermögen, besteht absolut kein Zweifel, dass es niemanden im ganzen Volk geben wird, der sich um seinen Unterhalt kümmern müssen wird. Und zwar, weil er 600.000 liebende und treue Menschen haben wird, die es sicherstellen werden, dass kein einziger seiner Wünsche unbefriedigt bleibt.

So beantworten wir die Frage, warum die Thora nicht unseren heiligen Patriarchen gegeben wurde. Das hat zum Grund, dass in einer kleinen Gruppe von Menschen die Thora nicht eingehalten werden kann. Es ist unmöglich, mit der Arbeit von Lischma zu beginnen, wie es oben beschrieben wurde. Deswegen wurde ihnen die Thora nicht gegeben.

Ganz Israel bürgt füreinander

Im Lichte des oben Gesagten können wir die verwirrende Redensart unserer Weisen verstehen, die sagten: "Ganz Israel bürgt füreinander". Außerdem fügt Rabbi Elazar, der Sohn von Rabbi Schimon hinzu, dass "die Welt nach der Mehrheit beurteilt" werde.

Es folgt, dass wir auch für alle Völker der Erde verantwortlich sind. Ich wundere mich; das scheint etwas zu sein, was der Verstand nicht dulden kann. Wie kann Einer für die Sünden des Anderen verantwortlich sein, den er nicht kennt? Es heißt im Besonderen: "Die Väter sollen nicht wegen ihrer Söhne getötet werden, und die Söhne sollen nicht wegen ihrer Väter getötet werden; jeder Mensch sollte für seine eigene Sünde hingerichtet werden".

Nun können wir leicht die Bedeutung der Worte verstehen. Es ist schier unmöglich, die Thora und die Mizwot einzuhalten, wenn nicht die ganze Nation teilnimmt. Es stellt sich heraus, dass jeder Einzelne verantwortlich für seinen Freund wurde. Das meint, dass die Abtrünnigen diejenigen, welche die Thora einhalten, dazu bringen, in ihrem Schmutz zu verweilen. Sie können nicht korrigiert werden, und nicht zum Geben und zur Liebe zum Nächsten gelangen, ohne dass die Abtrünnigen daran teilnehmen. Wenn also einige im Volk Sünder sind, bringen sie den Rest des Volkes dazu zu leiden.

Im Midrasch heißt es, "Israel, einer von ihnen sündigt und sie alle fühlen es". Rabbi Schimon sagte darüber: "Es ist wie Menschen, die in einem Boot sitzen. Einer von ihnen nimmt einen Bohrer und beginnt, unter seinem Sitz zu bohren. Seine Freunde sagten ihm: "Was tust du?" Er antwortete, "Warum sollte es euch kümmern? Bohre ich nicht etwa unter mir?" Sie antworteten, "Das Wasser überschwemmt das Boot" Wie wir oben erklärt haben, da die Abtrünnigen in Selbstliebe getaucht sind, schaffen ihre Taten eine Stahlmauer, welche diejenigen, welche die Thora einhalten, davon abhält, auch nur zu beginnen, die Thora und die Mizwot auf richtige Weise einzuhalten.

Nun werden wir die Worte von Rabbi Elazar, dem Sohn von Rabbi Schimon, klären, der sagt: "Da die Welt nach der Mehrheit gerichtet wird, und das Individuum nach der Mehrheit gerichtet wird, gilt, dass wenn ein Einzelner eine Mizwa ausführt, gesegnet sei er, denn er neigt sich selbst und die ganze Welt der Waagschale (der Seite) des Verdienstes zu. Wenn er eine Sünde begeht, wehe ihm, denn er neigt sich selbst und die ganze Welt der Waagschale der Schuld zu. Wie es heißt, "doch ein Sünder zerstöret viel Gutes"".

Wir sehen, dass Rabbi Elazar, der Sohn von Rabbi Schimon, das Thema von Arvut (der gegenseitigen Verantwortung/ Bürgschaft) sogar verschärft, indem er sagt, "Die Welt wird nach der Mehrheit gerichtet." Das ist, weil er der Meinung ist, dass es nicht genügt, wenn ein Volk die Thora und die Mizwot empfängt. Entweder kam er zu dieser Meinung durch Betrachtung der Realität, denn wir sehen, dass das Ende noch nicht gekommen ist, oder empfing er sie von seinen Lehrern.

Der Text {der Schrift} unterstützt ihn auch, indem er uns verspricht, dass sich in der Zeit der Erlösung "die Erde mit dem Wissen des Herren füllen" wird, und auch, "und alle Völker werden zu Ihm fließen", und viele andere Verse. Das ist der Grund, warum er Arvut durch die Teilnahme der ganzen Welt bedingte. Es zeigt, dass ein Einzelner nicht durch das Einhalten der Thora und der Mizwot zum erwünschten Ziel gelangen kann, wenn es nicht durch die Hilfe aller Menschen in der Welt ist.

Also beeinflusst jede einzelne Mizwa, die der Mensch ausführt, die ganze Welt. Es gleicht einem Menschen, der in einer Waagschale ein gewisses Gewicht von Bohnen abwiegt. So wie jede einzelne Bohne, die man in die Waagschale legt, die erwünschte Endentscheidung ausschlaggebend beeinflusst, ist auch jede Mizwa, die ein Einzelner ausführt, damit sich die Welt mit dem Wissen des Schöpfers fülle, dazu beiträgt, dass die Welt sich entwickeln würde und dass man zu diesem Gesetz gelangen würde.

Es steht geschrieben, "Doch ein Sünder zerstöret viel Gutes". Das meint, dass die Sünde eines Einzelnen das Gewicht auf der Waagschale reduziert, als würde jener Mensch die Bohnen zurücknehmen, die er auf die Schale legte. Dadurch wendet er die Welt nach hinten.

Warum wurde die Thora an Israel gegeben?

Nun können wir die Frage beantworten: "Warum wurde die Thora dem Volk Israel gegeben, ohne die Teilnahme aller Völker in der Welt?" In Wahrheit ist es so, dass sich das Schöpfungsziel auf das gesamte Menschengeschlecht bezieht, niemanden ausgenommen. Doch wie dem auch sei war es wegen der Niederträchtigkeit der Natur der Schöpfung und deren Macht über Geschöpfe nicht möglich für Menschen, dazu fähig zu sein, zu verstehen, sie in die Knie zu zwingen, und sich damit einverstanden zu geben, sich über ihr zu erheben. Sie zeigten kein Verlangen, aus den Schranken der Selbstliebe auszutreten, und zur Übereinstimmung der Form zu gelangen, welche die Verschmelzung mit den Eigenschaften des Schöpfers ist. Wie unsere Weisen sagten, "Wie Er barmherzig ist, so sollst auch du barmherzig sein".

Und wegen des Verdienstes der Vorväter hatte das Volk Israel Gelingen darin, nachdem sie sich im Verlauf von vierhundert Jahren entwickelt und ausgebildet hatten, und sich der Seite des Verdienstes zugeneigt hatten. Und jeder einzelne von den Mitgliedern der Nation trat durch diese Annahme der Nächstenliebe in das Sein eines kleinen Volkes inmitten von siebzig großen Völkern ein, wobei jedem Einzelnen aus dem Volk Israel Hundert und mehr Götzendiener gegenüberstehen. Und als sie die Nächstenliebe auf sich nahmen, wurde die Thora gerade dem israelischen Volk zur Selbstvervollkommnung gegeben.

Doch das Volk Israel wurde dazu bestimmt, der "Vermittler" (der "Übergang") zu sein. Das meint, dass insoweit wie Israel sich durch das Einhalten der Thora reinigt, es seine Kraft an den Rest der Völker weiterleitet. Und sobald sich auch der Rest der Völker der Waagschale des Verdienstes zuneigt, wird sich der Messias offenbaren. Und zwar, weil die Rolle des Messias es ist, nicht nur Israel für das Endziel der Verschmelzung mit Ihm zu qualifizieren, sondern, alle Völker die Wege Gottes zu lehren, wie der Vers sagt: "Und alle Völker werden in Ihn hineinfließen".

[1] Einer der Weisen der Mischna, des Grundstücks des Talmuds
[2] RAMBAM: Rav Moses ben Maimonides, 13 Jh., Kabbalist und Interpret der Thora und anderer Bücher der Schrift und des Talmuds.

 

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