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Ein Kabbalist, ein Genetiker und der Sinn des Lebens

Ein Interview zwischen dem führenden Wissenschaftler Dr. Ebstein und Rav Dr. Michael Laitman

Sie dachten also, dass Freigiebigkeit aus Wohlwollen und Sorge um den anderen herstammt? Da irren Sie sich aber! Die neuesten genetischen Forschungen zeigen, dass es sich vielleicht nur um Gene handelt.
Vom kabbalistischen Gesichtspunkt her jedoch ist das nichts Neues. Darum nehmen wir an, dass ein Treffen zwischen dem Genetiker Prof. Ebstein und dem Kabbalisten Dr. Laitman außerordentlich faszinierend sein wird.
Das Forschungsjournal Genes, Brain and Behavior veröffentlichte eine Studie an der Hebrew University in Jerusalem, die zeigte, dass Menschen mit einer bestimmten Reihe von Genen zu 50% eher großzügiger mit Geld sind.
Der führende Wissenschaftler Dr. Ebstein und der Kabbalist Rav Dr. Michael Laitman trafen sich, um diese neuen Ergebnisse und ihre Folgen zu diskutieren. Dr. Ebstein erläuterte während ihrer spannenden Unterhaltung, dass unsere Gene teilweise für all unser Verhalten verantwortlich sind. Warum nur teilweise? Weil das, was nicht von unseren Genen beeinflusst wird, aus der gesellschaftlichen Prägung stammt. All dies jedoch war für Kabbalist Rav Dr. Laitman nichts Neues.

Prof. Ebstein: Wir untersuchten bestimmte Gene, um zu sehen, ob sie wohl Altruismus beeinflussen können. Dafür benutzten wir ein ziemlich einfaches Spiel:
Jemandem wurde ein Umschlag mit etwas Geld gegeben. Er durfte einem anderen entweder das ganze Geld oder einen Teil davon geben, ohne irgendetwas über denjenigen zu wissen, oder ob er es überhaupt braucht – dieser kann Millionär oder mittellos sein. Und es stellte sich heraus, dass fast ein Drittel von ihnen die Hälfte vom Geld weggaben, ohne zu wissen, ob der Empfänger es tatsächlich brauchte.

Rav Laitman: Was hatten sie denn dabei vor?

Prof. Ebstein: Das ist uns nicht ganz klar. Die Wirtschaftswissenschaftler sagen, dass es Altruismus ist.

Rav Laitman: Nun, an dieser Stelle stimmt die Kabbala damit nicht überein. Die Kabbala sagt, dass wir alle aus einer egoistischen Substanz gemacht sind, und dass die „Altruisten“ ebenfalls Egoisten sind. Sie besitzen nur eine andere Motivierung, denn keine Handlung wird ohne diese ausgeführt.

Wenn ich jemandem etwas gebe, dann brauche ich dazu den „Treibstoff“, die mit einer Absicht gefüllte Kraft. Um irgendetwas zu tun, muss ich diese Handlung rechtfertigen, mein Körper oder mein “Selbst“ muss wissen, dass es für ihn von Vorteil ist. Ich kann entweder aus dem Nehmen oder Geben Nutzen ziehen. Wie dem auch sei, so ist das natürlich eine Art des Empfangens, obwohl es von außen her altruistisch erscheinen mag.

Prof. Ebstein: Manche mögen sagen, dass, auch, wenn jemand Geld gibt, er immer irgendeine Art von Belohnung zurückerhält, zumindest verstandesmäßig, und das ist die Motivierung dafür. Somit würde der Mensch es nicht ohne diese Entgeltung getan haben. Laut der Wissenschaft, die sich mit dem Gehirn befasst, ist die Belohnung eine ausgelöste chemische Substanz. Darum haben Sie in diesem Falle Recht, es gibt keinen Altruismus, ohne eine Art Belohnung zu erhalten, sonst wäre der Mensch ja nicht motiviert.

Rav Laitman: Dann gibt es also eine Art Vorrichtung im Menschen, die eine Substanz auslöst, die ihm Genuss bringt und er somit in der Lage ist zu geben – stimmt das?

Prof. Ebstein: Ja.

Rav Laitman: Und innerhalb jedes Menschen geschieht das jeweils anders – in manchen mehr, in manchen weniger – aber es ist in jedem vorher festgelegt. Es gibt somit keine „Egoisten“ oder „Altruisten“ hier, sondern alles ist je nach unserer natürlichen Entwicklung vorbestimmt. So, wie man geboren ist.

Prof. Ebstein: Korrekt, aber die Gene bestimmen nicht 100 % einer Handlung. Die meisten Leute sind sich einig, dass die gesellschaftliche Umgebung ebenso eine Rolle spielt.

Rav Laitman: Wie?

Prof. Ebstein: Nun, es ist viel einfacher, Gene zu bestimmen, als den Einfluss der Gesellschaft zu verstehen und auf welche Art ein Mensch seit Geburt beeinflusst wurde. Forscher untersuchen das jedoch.

Wir wissen z. B. heutzutage, dass es ein Gen gibt, das Gewalt in sich trägt, was teilweise erklären kann, wenn jemand vorbestraft oder ein Schwerverbrecher ist. Forscher fanden heraus, dass diese Genwirkung davon abhängt, ob man als Kind Gewalt ausgeliefert war. Um es anders zu sagen, kann dieses Gen dich nur gewalttätig machen, wenn du als Kind Gewalt erfahren hast. Doch ohne diesen gesellschaftlichen Einfluss bleibt das Gen neutral.

Rav Laitman: Also muss etwas anderes diesen Hang auslösen und aktivieren…

Prof. Ebstein: Ja, eine Kombination unserer Ausbildung, Eltern, Schule und Gesellschaft bestimmt unsere Handlungen. Doch sind die Gene ebenfalls maßgeblich: sie sind zu ca. 50% für unsere Handlungen verantwortlich. Das nennen wir unsere „Veranlagung“.

Rav Laitman: Ich möchte Sie etwas fragen: Wenn man alles bedenkt, was heutzutage auf der Welt passiert, und was wir besprochen haben – gibt es dann noch Hoffnung, den Menschen zu verbessern, ihn altruistischer zu machen, damit er der Gesellschaft zugute kommt? Vielleicht könnten wir die äußerlichen Einflüsse benutzen, damit altruistische Gene hervorgelockt werden können und aktiver werden.

Prof. Ebstein: Obwohl ich selbst Genforscher bin, meine ich, dass die Genetik hier eigentlich nicht helfen kann. Ich bin der Ansicht, dass man einen Menschen am besten mithilfe von Ausbildung und Gesellschaft ändert.

Rav Laitman: Die Kabbala sagt, dass wir den Lebensvorgang enthüllen müssen, den die Menschheit im Moment durchläuft: dass von einer Generation zur nächsten unser Ego ständig am Wachsen ist und zur Zeit eine Größe erreicht hat, die eine echte Gefahr für die Menschheit darstellt. So, wie wir auch unseren schrecklichen Einfluss auf die Umgebung bemerken. Wenn uns dies klar würde, dann wird unsere Gesellschaft diese Meldung durch die Medien erhalten, und uns somit alle berühren. Normalerweise akzeptiert der Einzelne, was von der Gesellschaft anerkannt wird, als gegebene Norm. Wichtig ist eigentlich nur, dass wir die Kausalität und den Zweck der Dinge erklären, warum die Natur sie so angelegt hat und wohin sie uns in Zukunft bringt.

An dieser Stelle unterbrach der Kabbalah Today Reporter Oren Levi die Sitzung und stellte Fragen:

Oren Levi: Ich höre Ihrer faszinierenden Diskussion zu und muss einfach ein paar Fragen stellen. Herr Prof. Ebstein, Sie sagten, dass Gene unser Verhalten bestimmen, und wenn Gene unser Verhalten bestimmen, gibt es dann noch Platz für unsere eigene Wahl?

Prof. Ebstein: In einem Interview mit Radio BBC fragte man mich, ob man das „Gen-Alibi“ akzeptieren könnte. Die Anwort war negativ, es wird nicht anerkannt. Wenn Sie mich jedoch fragen, ist ein Mensch mit „schlechten Genen“ , der z. B. einen Alkoholiker zum Vater hatte und Gewalt ausgesetzt ist, und dann jemanden in einer Bar mit 25 Jahren erdolcht, schuldig? Irgendwie finde ich mit dem Wissen von Genetik, Soziologie und Anthropologie im Hintergrund, dass dieser Mensch nicht viel Wahl hatte. Vielleicht hätte er das Messer im letzten Moment nicht zu ziehen brauchen und jemanden umbringen müssen. Aber schauen Sie sich seine gesamte Welt an – er war sowieso auf einem schlechten Pfad, alles war gegen ihn, die Würfel waren früh in seinem Leben gefallen. Und dennoch kann die Gesellschaft ihm andrerseits nicht vergeben.

Oren Levi: Vorher erwähnten Sie, dass ein Mensch zu 50% von seinen Genen beeinflusst wird, was ist mit den anderen 50%?

Prof. Ebstein: Die andere Hälfte kommt von der Gesellschaft, der Erziehung, die man von seinen Eltern oder der Schule erhält.

Oren Levi: OK. Wenn man also all dies auf 100% addiert – 50% Gene und 50% Gesellschaft – wo bin ich dann? Was ist dann von einem Menschen selbst übrig?

Prof. Ebstein: Das ist eben die Frage.

Oren Levi: Und was sagen Sie dazu, Rav Laitman, aus der Perspektive der Kabbala?

Rav Laitman: Was soll ich sagen – es gibt keine freie Wahl. Der freie Wille kann hier nicht gefunden werden. Die Weisheit der Kabbala sagt, dass wir auf dieser Welt hier nicht frei sind und keinen freien Willen haben. Wir als Individuen suchen uns nicht aus, womit wir geboren sind, eingeschlossen unsere Umgebung, Familie, Schule oder was auch immer in unserem Leben. Und wenn wir erwachsen sind, sagen wir mit 20, haben wir nichts Eigenes – alles wurde uns eingeimpft. Also ist das nicht unbedingt das wahre „Ich“, weil wir dann noch kein „Ich“ haben.

Und wenn wir unser Leben je nach Regeln unserer Gesellschaft und den Medien führen, dann zeigen wir nie unser wahres „Ich“. Wir mögen noch nicht einmal das Gefühl haben, dass wir uns über diese Art Dasein hinausheben können.

Die Kabbala erklärt, dass ein Mensch das „Ich“ spürt, wenn er einen inneren Drang verspürt, die Göttlichkeit zu enthüllen. Einen Drang, über unsere menschliche Natur hinauszugehen und die spirituelle Welt und die Höhere Kraft zu entdecken. Dort haben wir freie Wahl, aber in unserer Welt gibt es die auf keinen Fall.

Oren Levi: Sagt die Kabbala also, dass die Menschheit den letzten Punkt unserer Evolution oder Entwicklung erreicht hat?

Rav Laitman: Ich glaube, dass Prof. Ebsteinund ich uns beide einig sind, dass wir uns noch weiter entwickeln müssen. Das menschliche Niveau hat noch nicht seinen Höhepunkt erreicht, wir sehen noch nicht das gesamte Gute, das daraus hervorkommen kann.

Laut Kabbala muss der Mensch den Grad der Höheren Kraft erreichen, um alle Höheren Kräfte der Natur in sich selbst einzuschließen. Dies bedeutet, dass der Mensch zur gesamten Wirklichkeit gelangen und sie verstehen muss. Wir sprechen hier über die eigentliche Entwicklung des Menschen – nicht nur darüber, was man versteht, denkt und erforscht – sondern wie man sich selbst entwickelt.

Ich hoffe, wir werden den Zeitpunkt erleben, wo die Wissenschaftler unabhängig von einander verstehen, dass es uns nicht gelingt, tiefer in die Materie einzudringen und die Kraft, die sie lenkt und deren Gesetze zu durchdringen, wenn sie keine innerliche Veränderung durchmachen. Sie müssen diese irgendwie identifizieren, doch ist das mit unserem egoistischen Verstand und unserer Materie nicht möglich. Wir müssen gleich mit der Natur werden, anstelle ihr gegenüber entgegengesetzt zu sein. Irgendwann müssen wir uns klar werden, dass die Natur altruistisch ist und somit das Leben erschuf.

Wir können das an unseren eigenen Zellen erkennen und die Art und Weise, wie sie sich in unserem Körper verhalten. Jede einzelne Zelle kümmert sich um das Wohlergehen des gesamten Körpers. Würden sie nicht in völliger Harmonie zusammenarbeiten, könnte der Körper nicht existieren. Und die gesamte Natur arbeitet so. Wir sind der einzige Teil der Natur, der Ungleichgewicht schafft, und dessen müssen wir gewahr werden und uns korrigieren. Darum handelt es sich bei der Kabbala.

Wir wollen hoffen, dass wir dann mithilfe der Wissenschaft entdecken, dass wir keine wahre Möglichkeit haben, zu den Naturgesetzen zu gelangen, es sei denn, wir ändern uns dementsprechend.

Prof. Ebstein: Ich stimme Ihnen zu. Ich glaube jedoch nicht, dass sich die Wissenschaft in diese Richtung wendet. Ich glaube, dass es eine Art Hochmut unter den Wissenschaftlern gibt; manche denken, dass sie das Universum besser mit ihrem eigenem Verstand und ihren Instrumenten verstehen.

Rav Laitman: Hoffen wir dann, dass wir einen Weg aus diesem Tumult finden, in welchen die moderne Welt geraten ist, und dass sich alles von Seiten der Kabbala und der Genetik zu einer Göttlichen Wissenschaft verbindet.
 

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